Team online - Vertrauen offline?!

Führt die Virtualisierung unserer Zusammenarbeit zwangsläufig zur Vertrauenserosion im Team?

Was macht die 'Zoomfatigue' mit unserem Teamzusammenhalt?

Wer hätte gedacht, dass wir uns 2020 mehrheitlich zu Profis der virtuellen Zusammenarbeit entwickeln würden? Noch zu Beginn des Jahres zauberte der Begriff ‚Collaboration Tools‘ bei vielen von uns ein Fragezeichen in unsere Gesichter. Heute ist der Austausch mit und über die Erfahrungen mit diesen Apps fester Bestandteil unseres Teamalltags. Welchen Einfluss aber hat diese neue Art der Interkation auf uns als Team – mal abgesehen von der häufig besprochenen 'Zoomfatigue'? Was macht sie mit unserem Zusammenhalt als Team? 

Laut einer neuen Studie der Rochus Mummert Consulting Group ist die Hauptursache für das Scheitern von virtuellen Teams das fehlende Vertrauen zwischen den Teammitgliedern (drei von vier virtuellen Teams scheitern daran). Eine Studie der Universität Münster stützt diese Erkenntnis.

Uns fällt die Identifizierung mit unserem nun virtuellen Team deutlich schwerer. Dazu leistet die bereits erwähnte 'Zoomfatigue' mit Sicherheit ihren Beitrag. Online Kommunikation fordert von uns in vielen Bereichen ein 'Mehr‘. Ein Mehr an Konzentration, um den anderen zu folgen und den Beitrag trotz eingeschränkter Körpersprache richtig deuten zu können. Ein Mehr an Disziplin, die anderen eigenen Redebeiträge kurz zu fassen, dafür zu sorgen, überhaupt einen Beitrag zu leisten und den anderen trotz manchmal schlechter Übertragungsqualität überhaupt weiter zu folgen. Ein Mehr an Geduld; es ist manchmal wirklich mühselig das Wort zu ergattern. 

Wer ist denn nun schuld an der Vertrauenserosion?!

Videokonferenzüberdruss und weniger nonverbale Kommunikation führen zwar leichter zu Missverständnissen sind aber meines Erachtens nicht allein an der festgestellten Vertrauenserosion ‚schuld‘.  Für mich spielt da noch ein dritter Faktor eine maßgebliche Rolle: die erhöhte Sachlichkeit in der virtuellen Zusammenarbeit. Oder andersherum betrachtet, der verringerte Fokus auf die Beziehungsebene. Die kurzen Gespräche zwischen Tür und Angel – die uns zugegeben auch manchmal lästig waren – fehlen uns genau dafür. Der kleine private Plausch auf dem Gang oder in der Kaffeeküche haben uns ganz nebenbei Informationen darüber geliefert, wie es unseren Kollegen geht, wie gestresst sie sind, womit sie sich beschäftigen. Das entfällt im digitalen Miteinander einfach als Informationsquelle. Diese kleinen Treffen, der kurze private Smalltalk vor einer Besprechung oder während einer kurzen Pause waren aber bislang das alltägliche Schmieröl unserer Beziehungsebene. 
Über Vertrauen wird bereits seit den 1950iger Jahren geforscht. Als wichtiger Baustein gelten dabei neben der Fachkompetenz, die soziale und die kommunikative Kompetenz. Als soziale Wesen fassen wir eben vor allem über den Kontakt vertrauen. 

In Kontakt kommen wir aber nicht ausschließlich über den Austausch von Fakten und Sachinformationen. Eher im Gegenteil. Dieser spielt beim Vertrauen fassen eher die Nebenrolle. Vertrauen fassen wir, wenn wir unsere Gegenüber als ‚Menschen‘ erfahren. Wenn wir mehr über seine Gedanken, Interessen, Meinungen und Befindlichkeiten lernen.

Sie können jetzt denken, „Puh, Glück gehabt, davon bin ich dann doch nicht betroffen. Mein Team arbeitet schon seit Jahren zusammen. Wir kennen einander“. Da haben Sie sich, fürchte ich, zu früh gefreut. Vertrauen muss beständig gefüttert werden. Wir benötigen regelmäßige Updates auf der Beziehungsebene. So vergewissern wir uns, ob unser Bild vom anderen noch Bestand hat, ob ich diesem noch vertrauen kann, oder ob es Zeit für einen Relaunch ist.

'Hero and Host'

Am meisten fordert die akute Virtualisierung der Teamarbeit deshalb wohl von unseren Führungskräften. Sie mussten und müssen in kürzester Zeit den akut erforderten mentalen Wandel vom ‚Leader as a hero‘ zum ‚Leader as a host‘ bewerkstelligen. Statt ‚ein Vorbild‘ ist nun vor allem erstmal ein*e Moderator*in gefragt. Und das von 0 auf 100 auf einem sehr hohem Kompetenzlevel.


Ja, die Zusammenarbeit ist einerseits im Virtuellen durch die hohe Fokussierung auf die Sachebene und den räumlichen Abstand konfliktärmer geworden. Andererseits kommunizieren wir nun mit einschränkt wahrnehmbarer Körpersprache und vermehrt schriftlich.  Wir können die Arbeitssituation der Kolleg*innen noch viel weniger einschätzen und berücksichtigen. Dies liefert uns mehr Interpretationsspielraum, führt zu mehr Missverständnissen und macht somit unsere Zusammenarbeit auch konfliktanfälliger. 

Nur sieht die Führungskraft beim remote Arbeiten die ersten Anzeichen für Konflikte weniger und sie hat weniger Gelegenheiten wahrgenommene Störungen in der Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitarbeiter*innen zu thematisieren.  Zusätzlich besteht häufig die Sorge, dass die Kommunikation im Team dann ungeplant ‚zu lebendig‘ und damit nur noch schwer zu händeln wird. Dennoch gibt es meiner Meinung nach zurzeit keinen besseren Weg, als in Mails „zwischen den Zeilen zu lesen“ und bei indirekten Anspielungen aufzumerken und diese zügig zu hinterfragen. Die Konfliktlösungsstrategien sind also letztendlich online und offline die gleichen. Denn tut die Teamführung das nicht, bleiben die Mitarbeiter*innen mit ziemlicher Sicherheit auf ihrem Ärger sitzen, da beim remote Arbeiten noch ein Umstand erschwerend hinzu kommt: Es ergibt sich kein zufälliger Kontakt mehr, bei dem wir Missverständnisse aus dem Weg räumen könnten. Thematisieren wir aber unsere Befindlichkeiten nicht und bleiben damit allein, gehen wir auf Distanz und fangen an misstrauisch zu werden. 

Vertrauen im Team erodiert also nicht zwangsläufig durch das Umstellen auf virtuelle Formen der Zusammenarbeit, aber es wird dadurch ein ganzes Stück anfälliger.

Denn wie Bertolt Brecht bereits erkannt hat ‚Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird.‘